Der Pfarrer Welti: Ein Dieb und Brandstifter
Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau
Einen denkwürdigen Fall von Brandstiftung hat der 10. Band der ältesten Folge dieser Annalen, herausgegeben von Hitzig, unter der Aufschrift mitgeteilt: Der Rentamtmann Heberer und seine Genossen. Eine verwandte und noch nicht hervorgetretene Erscheinung ist die Tat des Pfarrers Welti von Wohlenschwyl im Kanton Aargau, welche das folgende Urteil des Obergerichts dieses Kantons vorführt:
Urteil des Obergerichts
„Wir Präsident und Obergericht des Kantons Aargau urkunden hiermit: Nachdem das löbliche Bezirksgericht Baden die mit Peter Welti von Jttenthal, gewesenem Pfarrer von Wohlenschwyl, 35 Jahre alt, katholischen Glaubensbekenntnisses, von unbedeutendem Vermögen, wegen beschwerten Diebstahls und mehrfach beschwerter Brandstiftung verführte und am 5. dieses erstinstanzlich beurteilte Kriminalprozedur an uns zur oberrichterlichen Untersuchung und Beurteilung eingesandt: haben wir, nach genauer Prüfung und erklärter Vollständigkeit der Akten, sowie nach Anhörung der Schlüsse des Berichterstatters und des Gutachtens unserer Kommission für peinliche Fälle befunden:
Verlauf und Geständnis
Aus den freien gerichtlichen Geständnissen und den damit übereinstimmenden, prozedurlichen Tatumständen gehe hervor: Schon im Frühjahr 1832, als Peter Welti die Pfarre zu Wohlenschwyl bezogen, habe sich derselbe in einem nicht unbedeutenden Schuldenstande, teils von seinen früheren, der wissenschaftlichen Bildung geweihten Jahren her, teils in Folge von Geldanleihen, befunden, welche er bei dem Antritt der Kaplaneipfründe von Stetten und nachher der Pfarrpfründe von Wohlenschwyl, öfter auch im Drange einer schwelgerischen und unsittlichen Lebensweise erhoben und die ihn mit dem gänzlichen häuslichen Verfall zu bedrohen angefangen. Um sich nun aus dieser misslichen Lage zu retten, sei er zu dem Entschluss gekommen, den täglich, aber nächtlicher Weile, von Aarau nach Zürich fahrenden Postwagen zu plündern.
Diebstahl und Brandstiftung
In dieser Absicht habe er sich den 13. Wintermonat des Jahres 1833, früh Morgens um halb zwei Uhr von Haus weg bis an einen Hügel in der Nähe von Eckwyl begeben, sich daselbst an der Straße versteckt gehalten und als gegen 2 Uhr der Postwagen herangefahren, sei er demselben nachgeeilt und habe, nachdem er den Deckel des am hintern Teil des Wagens angebrachten Kastens durch Aufreißen des Schlußeisens geöffnet, aus einem zugesiegelten ledernen Beutel eine Summe von 1250 Franken an Geld herausgenommen und sich damit nach Hause begeben. Einige Tage nachher, am 19. gl. Mts. habe er den Postangriff auf die nämliche Weise und am gleichen Ort wiederholt, und aus dem Postkasten, den er auch diesmal, wie freilich nur er sage, ohne Hilfe von Werkzeugen und mit bloßer Hand erbrochen haben wolle, eine Summe von 471 Franken 5 Batzen erbeutet und aus dem Gesamtbetrag des auf diese Weise sich zugeeigneten Geldes von 1721 Franken 5 Batzen einige der am meisten andringenden Gläubiger befriedigt.
Weitere Versuche und Brandlegung
Durch den guten Erfolg dieser zwei Unternehmungen noch mehr aufgemuntert, habe er dann gegen Ende des Jahres oberhalb des Städtchens Lenzburg den nach Aarau fahrenden Postwagen Abends nach 6 Uhr aufs neue angegriffen und mittels eines Bohrers und einer Lochsäge in den Warenbehälter eine Öffnung zu machen gesucht. Als ihm aber dieses nicht gelungen, sei er unverrichteter Sache wiederum nach Hause geeilt, wo er gegen 8 Uhr Abends eingetroffen. Kurze Zeit darauf, sei von ihm an der früheren Stelle bei Eckwyl ein ähnlicher Versuch mittels Anwendung einer Axt, mit welcher er das Schlußeisen des Kastens habe aufwägen wollen, gemacht worden, der aber wie der vorige fehlgeschlagen.
Brandstiftung in der Pfarrwohnung
Seiner Verlegenheit also noch nicht enthoben, sei nun Welti auf den Gedanken gekommen, seine eigene Pfarrwohnung zu Wohlenschwyl, da er die darin befindlichen Beweglichkeiten bei der schweizerischen Brandversicherungsgesellschaft um 3000 Franken versichert, in Brand zu setzen, um durch den erwarteten Ersatz dieser Summe den Anforderungen der ungestümeren Gläubiger zu genügen. Um aber jeden, auch den fernsten Verdacht hierbei von sich abzulenken, habe er am 10. Januar 1834 des Abends gegen 6 Uhr seinen Angriff nicht unmittelbar auf das Pfarrhaus gerichtet, sondern vielmehr die Wohnung seiner Nachbarn, Jacob Meyer und Caspar Saxer beschlichen und in einer hintern Ecke der Scheune derselben ein Stück brennenden Schwamms, um die Scheune zu entzünden, in das Heu gelegt. Bald darauf, nachdem Welti sich wieder in den Pfarrhof zurückbegeben, sei das Feuer wirklich ausgebrochen, und habe diese Wohnung bis auf den Grund eingeäschert. Als jedoch das Pfarrhaus, ungeachtet der Nähe des Feuers, nicht auch in Brand habe geraten wollen, so habe sich Welti auf die entgegengesetzte Seite seines Hauses begeben und daselbst auf gleiche Weise die Behausung des Jacob und Martin Florian Wirth angezündet, welche ebenfalls von der Flamme gänzlich verzehrt worden sei und in welcher ein Kind von 10 Jahren, das Knäblein des Jacob Wirth, das nicht habe gerettet werden können, seinen Tod gefunden. Als indessen auch jetzt das Pfarrhaus unversehrt geblieben, habe sich Welti, damit seine Absicht endlich erreicht würde, auf den Estrich seines Hauses begeben und daselbst seine brennende Pfeife in einen Strohsack ausgeleert; aber als dieser wirklich zu brennen angefangen und dadurch über dem Dache des Pfarrhauses selbst ein Rauch entstanden, sei das Umsichgreifen der Glut durch das herbeieilende Volk verhindert und der brennende Strohsack auf die Straße hinunter geschleppt worden. Bei diesem Brandunglück seien 48 Personen ihres Obdachs und mehrenteils ihrer Habe beraubt worden.
Weitere Verbrechen und letzte Brandlegung
Aber auch Welti, wegen seines eigenen unvorsichtigen Benehmens mit stündlich stärkerer Gewalt vom Gerüchte fortan als Brandstifter vermutet, sei von dieser Zeit an in eine noch weit schlimmere Lage als zuvor versetzt worden, aus welcher er keinen Ausweg gefunden, als durch Begehung neuer Verbrechen den Anschein von bereits begangener von sich abzulenken und die ohnehin schon in Angst und Schrecken versetzte Gegend, auf den Gedanken einer Bande von Mordbrennern, welche jene verübt habe, zu leiten. In Ausführung dieses von der Verzweiflung eingegebenen Vorsatzes, habe er sich am 6. Hornung des Morgens um 5 Uhr zuerst nach Mägewyl verfügt und daselbst das Haus des seither verstorbenen Hans Rudolph Huber abermals mittels Einschiebung eines brennenden Stücks Schwammes am hinteren Teil des Daches in Brand gesteckt, darauf die Hausleute mittels Klopfen an den Fenstern aufgeweckt und sich selbst bemüht, das Vieh aus dem Stalle zu retten. Durch das rasche Umsichgreifen der Lohe seien aber außer dem angezündeten noch ferner vier umstehende Häuser in Brand geraten, in welchen sich mancherlei Waren von Krämerleuten, die den folgenden Tag den Markt zu Lenzburg zu besuchen gedachten, eingestellt befunden. Die aus einem der Häuser in gänzlicher Nacktheit entflohene, jedoch aus Schamgefühl, um sich ihrer Kleider zu bemächtigen und gegen Weltis eigenes dringendes Abmahnen wieder dahin zurückgekehrte Justa Huber, eine 35 Jahre alte ledige Weibsperson, sei ebenfalls bald vom Feuer verschlungen worden und habe das Leben eingebüßt; ihr Bruder und eine Schwester Katharina aber hätten bedeutende Brandwunden erlitten. Zwölf Tage nachher, am 18. Hornung, als aus der Scheune der Gebrüder Seiler von Wohlenschwyl, zur Zubereitung eines Nachtlagers für Fremde, Stroh genommen worden, sei dieser Anlass von Welti zu weiterer Ausführung seiner Absicht, die früheren Untaten zu bemänteln und auf Andere zu wälzen, benutzt worden, indem er auf gewohnte Art mittels eines brennenden Stücks Schwammes, vorfindliches, unter dem Dache aufbewahrtes Stroh angebrannt und die Scheune habe in Rauch aufgehen lassen. Nach Ablauf endlich von kaum drei Tagen, als er auf seinem Wege nach Birmenstorf im Wirtshaus zu Birrhard, in Gesellschaft eines Schweinehändlers, den ganzen Nachmittag über getrunken und gespielt, habe sich Welti mit Einbruch der Nacht auf einen Augenblick aus dem Hause entfernt, und aus gleichem Beweggrunde die nahe gelegene Wohnung des Heinrich Wüst in Brand gesteckt. Wie früher schon, so habe auch hier Welti, bis das Haus ganz abgebrannt gewesen, tätige Hilfe geleistet, und sich erst gegen zwei Uhr Nachts nach Wohlenschwyl zurückbegeben.
Verurteilung und Strafe
Nach diesem letzten Vorfall sei nun Welti bereits so sehr der allgemeine Fingerzeig geworden, dass eine Untersuchung diesfalls gegen ihn sofort angeordnet und durchgeführt worden sei, in welcher er, nach mehrmaligen Entweichungsversuchen aus der Gefangenschaft nur nach langem Leugnen, endlich durch die Macht der Wahrheit, das Bewusstsein der Schuld und die gegen ihn angehäuften Indizien überwältigt, der bisherigen abgefeimten Ausflüchte sich am 13. Mai dieses Jahres plötzlich begeben und das freie Geständnis seiner Reihe von Missetaten abgelegt habe, wodurch er einen Schaden von nicht weniger denn 52,503 Franken 7 Batzen 9 ½ Rappen gestiftet. Der Satz 152 des peinlichen Strafgesetzes enthalte nun, in Verbindung mit dem darauf folgenden Satz 153, die Bestimmung: „Beläuft sich die Summe des Gestohlenen über 400 Schweizerfranken, oder ist auch bei einer geringeren Summe dem Bestohlenen ein nach seinen Umständen empfindlicher Schaden zugefügt, oder der Diebstahl mit besonderer Verwegenheit, Gewalt oder Arglist verübt worden, so soll Kettenstrafe anhaltend im ersten Grade, und wenn mehrere erschwerende Umstände zusammentreffen, nach Maßgabe der Gefährlichkeit, Kettenstrafe langwierig im ersten Grade erkannt werden." Ferner schreibe der Satz 170 a. des gleichen Gesetzes vor: „Wenn bei einer Brandlegung das Feuer ausgebrochen und dadurch ein Mensch, da es von dem Brandleger vorausgesehen werden konnte, augenscheinlicher Lebensgefahr ausgesetzt oder getötet wird; wenn der wirklich ausgebrochene Brand zu wiederholten Malen gelegt, wenn außer dem angezündeten Gebäude auch noch andere aufgezehrt wurden, so ist die Strafe der Tod des Täters." Zufolge des obenangeführten Tatbestandes habe sich Welti sonach zweier verschiedener Missetaten, nämlich des Verbrechens des schon dem Betrage nach beschwerten und überdies an einem Warenwagen (Satz 148 d. des P. G. B) und zur Nachtzeit (Satz 147 II. d. ebendaselbst) verübten Diebstahls und desjenigen der wiederholten beschwerten Brandlegung in der dreifachen Beziehung, welche, jede einzeln genommen, die Todesstrafe nach sich ziehe, schuldig gemacht, weil außer dem angezündeten auch noch andere Gebäude vom Feuer vernichtet worden seien, weil er das vollendete Verbrechen der Brandstiftung fünfmal wiederholt, und dasselbe wenigstens dreimal an Örtlichkeiten und zu einer Zeit verübt habe, wo Menschenleben augenscheinlicher Gefahr preisgegeben und auch wirklich unter grässlichen Qualen vernichtet wurden.
Strafzumessung
Bei der Unvereinbarkeit der Todesstrafe aber gleichzeitig mit Kettenstrafe, sei indes zu erwägen die weitere Vorschrift des 17. Satzes des peinlichen Strafgesetzes: „Ist ein Verbrecher mehrerer unter sich verschiedener Missetaten schuldig, so soll die Strafe nach dem einigen Verbrechen, worauf eine größere Strafe bestimmt ist, zuerkannt, aber zugleich auf die übrigen Verbrechen Bedacht genommen werden." Sonach finde gegen den Untersuchten im Falle einzig noch der Satz 170 a. des peinlichen Gesetzbuches seine Anwendung, und vermöge derselben die Todesstrafe, welche, wie Milderungs- so auch noch mehr Erschwerungsgründe offenbar ausschließe, statt. Frage es sich nämlich, ob dem Übeltäter die Missetat auch zuzurechnen sei, d. h. ob er bei deren Verübung nach dem Ausdrucke des Gesetzes, auch mit wirklich bösem Vorsatze und freiem Willen gehandelt, oder ob er vielmehr nicht, nach dem Dafürhalten seines Verteidigers, das Böse in einem Zustande von Geistesverwirrung und verborgenem Wahnsinn begangen, welche die Anwendung einer peinlichen Strafe nicht zulasse, so könne freilich nicht geleugnet werden, dass Weltis Wille, um so Ungeheueres zu begehen und auszuführen, von der Bahn der Pflicht und Tugend abgeirrt erscheine, und von der rohesten Leidenschaft hingerissen und mit des Mannes besserem Selbst entzweit gedacht werden müsse. Allein ein Zustand dieser Art könne wohl nicht als ein solcher angesehen werden, welcher als ein unfreier, die Zurechnung aufhebe; vielmehr lasse das Benehmen des Verbrechers, bei und nach den furchtbaren Ereignissen, bei deren Vorbereitung und Beendigung er mit abgemessener Schlauheit und dem reiflichsten Vorbedacht gewirkt, seine Überlegung und die vollste Freiheit des Wollens um so weniger irgend bezweifeln, da er selbst einräume, aus bösem Herzen gehandelt zu haben und später noch beifüge: „mit tiefverwundetem reuevollem Herzen sehe ich meine großen Verbrechen an, und ich erkenne, als dem Recht und der Gerechtigkeit angemessen, dass die Strafe dem Verbrechen folge." Mit diesem Ergebnis stimme denn auch das Gutachten der Ärzte überein, und es liege folglich die Zurechnungsfähigkeit des Welti im vorliegenden Falle gerade deshalb am Tage, da das Gesetz den in eine verbrecherische Tat übergegangenen bösen Willen als das eigentliche Verbrechen bestraft wissen wolle. Demnach haben wir in Erledigung dieser peinlichen Untersuchung, auf die gesetzliche zweimalige Umfrage hin, das bezirksgerichtliche einstimmige Erkenntnis bestätigend, ebenfalls einstimmig zu Recht gesprochen und erkannt:
Endgültiges Urteil
Peter Welti sei des Verbrechens des beschwerten Diebstahls und der beschwerten Brandlegung rechtlich überwiesen; demnach sei derselbe nach Anleitung des Satzes 38 des peinlichen Strafgesetzes und des Satzes 255 der peinlichen Gerichtsordnung seines Amtes und der Würde zu entsetzen, und solle derselbe nach Vorschrift des Satzes 170 a. des peinlichen Strafgesetzes mit dem Tode bestraft, und vermöge des Satzes 23 durch das Schwert des Lebens verlustig werden. Aus seinem Vermögen seien der Ersatz des Schadens, die sämtlichen Untersuchungs- und Gefangenschaftskosten, sowie die Kosten der Urteilsvollstreckung zu bestreiten. V. R. w. Urkundlich dessen haben wir dieses Strafurteil mit unserem Siegel verwahren und durch unseren Herrn Präsidenten und unseren Gerichtsschreiber unterziehen lassen.
Gegeben in Aarau am 26. August 1834.
Der Präsident des Obergerichts: sig. Tanner
Im Namen des Obergerichts, der Gerichtsschreiber sig. Kallersberger.
Dieses Urteil wurde sofort rechtskräftig, da das Obergericht zugleich Gericht letzter Instanz war. Zwei Tage nach Erlassung des Urteils, am 28. August, verordnete der Landammann und Kleine Rat des Kantons, dass in Folge desselben der Verurteilte seines Pfarramts zu entsetzen und das Erkenntnis seinem ganzen Inhalte nach vollzogen werden solle. Dies geschah in den ersten Tagen des Septembers.
Bericht über die Hinrichtung
Der aufrichtige und wohlerfahrene Schweizer-Bote, Band 37, Jahrgang 1834, Seite 293
Der aufrichtige und wohlerfahrene Schweizer Bote
Hinrichtung von Pfarrer Welti
Aargau. Folgendes ist aus zuverlässigen Berichten die nähere Darstellung über des unglücklichen Pfarrer Welti am 4. d. zu Baden erfolgten Hinrichtung.
Des Morgens um 8 Uhr vor der Exekution ward ihm zufolge einer hochobrigkeitlichen Weisung durch den Herrn Stadtpfarrer Keller zu Baden die bischöfliche Degredationsakte ohne alle weitere Förmlichkeit im Gefängnis eröffnet und vorgelesen. Eine halbe Stunde nachher stellte sich das zur Erhaltung der Ruhe und Ordnung bestimmte Militär auf, unter dem Kommando des Herrn Hauptmann Baldinger. Um neun Uhr begann der Zug sämtlicher Mannschaft nach dem oberen Turm, um den Delinquenten abzuholen. Bei dem Rathaus befand sich das Bezirksgericht auf einer Tribüne versammelt, und da war der Andrang der großen Volksmenge schon so groß, dass das Militär wie Landjäger nur durch Festigkeit und rege Tätigkeit die Ordnung zu erhalten wussten. Auf der Tribüne waren für die Herren Beamteten, Richter und Geistliche die nötigen Sitze angeordnet, so auch für den Delinquenten. Der Gerichtspräsident Dorer verlas sodann das obergerichtliche Urteil vom 26. August mit lauter und vernehmlicher Stimme.
Verhalten von Peter Welti
Peter Welti benahm sich dabei ruhig, ohne eine Miene zu verändern; er verriet auch durch sein Äußeres weder Bangigkeit noch Trotz oder Übermut, sondern schien völlig in sein Schicksal hingegeben. Nach Beendigung dieser Formalität wurde von dem Herrn Bezirksamtmann Nieriker der Scharfrichter hervorgerufen und demselben der Delinquent übergeben, damit er ihn nach Gesetz und Urteil auf der Richtstätte durch das Schwert des Lebens verlustig mache.
Die Hinrichtung
Der ältere Sohn des Scharfrichters band hierauf den Peter Welti auf eine, keine weiteren Schmerzen verursachende Weise. Der Zug ging sodann nach der Richtstätte, ohne dass Unordnungen vorfielen; nur entstand jenseits der Brücke durch die schwere Last der Menschenmenge einiges Krachen im Gebälk der Brücke, und die Leute dadurch erschrocken, drängten vor- und rückwärts, jedoch ohne weitere Unordnung, da sich die Straße bald wieder erweiterte. Die auf dem Richtplatz angehäufte Menschenmasse von vielen tausend Köpfen gewährte einen imposanten Anblick; auch auf dem anderen Ufer der Limmat befand sich eine große Anzahl Zuschauer.
Letzte Worte und Hinrichtung
Das Militär umgab die Richtstätte, die Welti mutvoll betreten hatte; er bezeugte den beiden Herren Geistlichen, Stadtpfarrer Keller und Chorherr Kopp, für ihre Begleitung auf dem letzten Lebensgang in wenigen Worten den rührendsten Dank, kniete dann nieder und verrichtete noch ein kurzes Gebet. Dann erhob er sich wieder, lies den Landjäger Schatzmann noch zu sich rufen, und schenkte demselben eine Tabaksdose als Dankbezeugung für sein menschenfreundliches Benehmen während der letzten Tage, da er bei ihm im Gefängnis Wache gehabt hatte. Dem Sohne des Scharfrichters äußerte er zuletzt noch den Wunsch, dass man ihm den Todesstreich erst auf ein Zeichen mit seiner Hand geben möchte; dieser wusste ihn jedoch darüber zu beschwichtigen, und Welti setzte sich mit vieler Ruhe und Fassung auf den Richtstuhl und empfing durch den 68-jährigen Scharfrichter Mengis von Rheinfelden den Schwertstreich, den er mit sicherer Hand und meisterhaft ausgeführt hatte.
In dem Augenblick, da der Kopf des Verbrechers gefallen war, erfolgten auf die bis dahin lange anhaltende Stille unter der Menge von Zuschauern laute Äußerungen des Schauers und des Mitleidens. An der Turmglocke schlug es eben 10 Uhr; dann ward diese Trauerszene durch eine von Herrn Stadtpfarrer Keller auf der Richtstätte gehaltene Standrede beendet, und der Zug begab sich hierauf wieder nach der Stadt zurück. Nachdem sich die Volksmenge wieder mehr entfernt hatte, wurden die Überreste des Peter Welti von einigen Kettensträflingen in einer Totenbahre unter Landjägerbedeckung abgeholt, nach dem ehemaligen Gottesacker bei St. Anna Kapelle gebracht, und dort auf dem für Delinquenten freigelassenen Teil in ein Grab versenkt und zugedeckt.